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Foto: Sexuelle Beziehungsstörung

Sexuelle Beziehungsstörung

Sexuelle Beziehungsstörung – Paarkonflikt um die Sexualbeziehung

Was ist eine Sexuelle Beziehungsstörung? In der ICD-10, Kapitel V, einer internationalen Liste der WHO, in der psychische Störungen aufgeführt werden, steht unter der Nummer F66.2: „Sexuelle Beziehungsstörung – Die Geschlechtsidentität, bzw. sexuelle Orientierung (heterosexuell, homosexuell oder bisexuell) oder die Störung der Sexualpräferenz bereitet bei der Aufnahme oder Aufrechterhaltung einer Beziehung mit dem Sexualpartner Probleme.“ (Weltgesundheitsorganisation. Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. […], Hg.: Dilling, H., Freyberger, H. J., 8. überarbeitete Auflage 2016, S. 269. Folgend zitiert als: ICD-10 Taschenführer. Hinweis: Es gibt bereits neuere Auflagen.). Folgt man der aktuellen German Modification der ICD-10 lautet der Erläuterungstext zur Sexuellen Beziehungsstörung (F66.2) lediglich: „Die Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung (heterosexuell, homosexuell oder bisexuell) bereitet bei der Aufnahme oder Aufrechterhaltung einer Beziehung mit einem Sexualpartner Probleme.“ (Quelle [URL]: https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2023/block-f60-f69.htm; zuletzt abgerufen: 17.07.2023, 12:32).

Klargestellt wird im Taschenführer zur ICD-10, dass im entsprechenden Kapitel, in dem die sexuelle Beziehungsstörung aufgeführt ist, sexuelle Störungen enthalten sind, denen eine Reihe von Problemen zuzuordnen sind, „die von Variationen der sexuellen Entwicklung […] herrühren, auch wenn die Sexualpräferenz als solche nicht problematisch oder abnorm ist. Die Richtung der sexuellen Orientierung selbst ist nicht als Störung anzusehen.“ (ICD-10 Taschenführer, 268.) Das heißt – leider haben dies ja noch nicht alle Menschen verinnerlicht -: Heterosexuell, homosexuell oder bisexuell zu sein ist keine Störung, sondern eine normale sexuelle Orientierung – und wird deswegen auch nicht behandelt. Im Übrigen wird vermutlich mit der ICD-11 erreicht – dass Geschlechtsinkongruenz (Geschlechtsidentitätsstörung, früher Transsexualismus) als Thema für Betroffene gelistet, als psychische Störung aber entfällt. Auch der Bereich der Sexualpräferenzstörungen wird neu geordnet, eingegrenzt und definiert.

Beispiel für eine sexuelle Beziehungsstörung

Das klingt alles etwas kompliziert und ist natürlich fachlich formuliert. Vielleicht können wir versuchen das ein wenig zu übersetzen. Ohne den Anspruch zu haben, es korrekt und erschöpfend zu umschreiben.

Im Grunde geht es um eine Paarproblematik. Partner*innen finden sexuell nicht (wie gewünscht) zueinander. Unterschiedliches Wollen oder Sein wird als trennend erlebt. In einer Beziehung gelingt es den Partner*innen nicht, miteinander eine unbeschwerte Sexualbeziehung zu leben.

Hinderungsgrund ist beispielsweise, dass man, angesichts des Vorliegens einer Sexualpräferenzstörung bei einem/einer Partner*in, einen Konflikt erlebt. Es kommt bei Partner*innen zur Frage nach einer sexuellen Passung im Hinblick auf den partnerschaftlichen Sex. Mindestens ein(e) Partner*in strebt den Sex, der von beiden durchgeführt würde, so nicht an und will ihn nicht wirklich, lehnt ihn ab. Etwa weil der favorisierte Stimulus fehlt, um den es in der Störung der Sexualpräferenz geht (etwa ein unbelebtes Objekt oder ein bestimmtes favorisiertes Verhalten); oder anders: weil es „zu sehr“ darum gehen soll.

Mitunter führt auch ein(e) Partner*in den Paarsex gar nicht mehr durch, wenn nicht das begehrte Objekt der Sexualpräferenzstörung in den Sex eingebaut wird. Oder man erlebt die/den Partner*in als nicht wirklich bei der Sache, weil der gemeinsame Standardsex eigentlich abgelehnt wird. Das verunsichert vielleicht wieder die/den andere Partner*in. Vielleicht lehnt ein(e) Partner*in dann auch nicht nur das sexuell Präferierte ab, sondern den Partner*in, der diese Sexualpräferenz hat ingesamt. Ein(e) Partner*in schämt sich zusätzlich vielleicht auch für das Haben der Sexualpräferenzstörung, entwickelt Schuldgefühle und vermeidet dann Sex in der Paarbeziehung – und ggf. auch jedwede Kommunikation über Scham und Schuldgefühle, sowie über sexuelle Wünsche, Bedürfnisse und Präferenzen etc. -.

Sex zu Bestätigung und Verbindung auf der Paarebene steht nicht zur Verfügung

Sex als eine Möglichkeit, sich liebevoll und lustvoll zu verbinden, zu bestätigen, zu versöhnen, Beziehung auszudrücken und um sich verbunden zu fühlen, bleibt in der Folge aus. Entweder, weil Sex ganz unterbleibt, oder weil er in engen Grenzen stattfindet, die für eine(n) Partner*in nicht alle gewünschten Funktionen von Sex ermöglichen, bzw. ein(e) Partner*in sich nicht vollumfänglich in den Sex beigegeben kann – gedanklich, emotional sozusagen mit einem Fuß außerhalb des Bettes steht -. Das mag für manche Paare ok sein, für andere wohl nicht.

Ein Problem ist vielleicht auf verschiedenen Ebenen zu finden: a) es fehlt eine liebevolle und emotionale Verbindung über die kommunikative Beziehungskomponente von S•x, vielmehr kommt es aus der Not heraus zu b) etwas Unverbundenem oder gar zu etwas Trennendem und zu Ablehnung; und zwar in Bezug auf c) das Haben der S•xualpräferenzstörung (gegen sich selbst gerichtet und durch die*den Partner*in und d) der habenden Person und ggf. schließlich f) der (S•xual-) Beziehung als solcher. Die Liste lässt sich wohl erweitern …

Umgang mit dem Paarkonflikt

Einige Paare gleichen diesen Umstand vielleicht an anderer Stelle aus, wieder andere wohl aber nicht. Das Moment ist hier sicherlich auch das Verunsichernde, das Trennende, das Paare vielleicht erleben. Zu vermuten steht ja, dass neben Scham und Schuldgefühlen, in konflikthaftem Streiten um sexuelle Wünsche und Bedürfnisse vielleicht Bewertungen, Abwertungen und somit auch Kränkungen erfolgen. Wenn etwa ein bedrängendes Ringen um Klarheit und Transparenz mit Rückzug und Intransparenz beantworten werden; und somit in der Logik dieses Zusammenspiels nur zu noch mehr zu Nachrücken und Nachfragen einladen. Zu dem sexuell Nichtzueinanderfinden tritt dann auch ein kommunikativ trennendes Moment. Überhaupt stellen Partner*innen vielleicht die Frage, ob und wie es angesichts des Konflikts eine Zukunft für die Beziehung gibt.

Der Beitrag soll nicht zu einer Art Selbstdiagnose verwendet werden. Er ersetzt keine Abklärung, Diagnosenstellung, Beratung und Behandlung durch einen Arzt oder Psychotherapeuten im persönlichen Gespräch.

In der ICD-11 ist/wird die genannte Störung wohl entfallen. Darüber hinaus wird der Bereich der Sexualpräferenzstörungen neu gefasst/definiert. Gleichwohl ist für Paare der Beziehungskonflikt nicht verschwunden. Vermutlich wird mit der Streichung eine Entstigmatisierung und Entpatholigisierung des geschilderten Paarkonfliktes angestrebt. Es ist zu wünschen, dass Partner*innen in einer weniger durch Schuld- und Schamgefühle geprägten Atmosphäre miteinander ins Gespräch kommen.

  • Ferdinand Krieg, Theologe. Derzeit im berufsbegleitenden Masterstudium der Sexologie. Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie. Arbeit als Paar- und Sexualtherapeut in Berlin. Weitergebildet in Systemischer Therapie und Beratung (SG), in Systemischer Paartherapie (SIH) und in Systemischer Sexualtherapie (isiberlin/DGfS). Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS). Kontakt: E-Mail.

Ferdinand Krieg

Dipl.-Theologe | Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie
Weiterbildungen in Systemischer Therapie und Beratung: Systemischer Paartherapeut (SIH) | Systemischer Therapeut und Berater (SG) | Sexualtherapie (DGfS).

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