Sich vom Partner distanzieren und in den Rückzug gehen – Partner distanziert sich…
Rückzug und Distanz vom Partner, von der Partnerin, passieren manchmal sehr spät. Manche Partner*Innen zeigen eine hohe Ausdauerbereitschaft und bleiben in einem Konflikt lange in einer unguten Paarbeziehung. Sie hoffen von Tag zu Tag, dass es doch alles wieder anders, schön wie früher etwa, werde. Auf ein paar liebe Worte folgt die nächste Eskalation. Was gerade erst mühsam wieder aufgerichtet wurde, kracht in sich zusammen. Dies wahrhaben zu wollen, dass das Spielchen „Zuckerbrot und Peitsche“ stattfindet und nicht gut tut, braucht seine Zeit.
Aber was haben wir eigentlich zu verlieren, wenn wir frühzeitig gehen? Gedanken an eine Trennung als letztmögliches Mittel der Wahl werden ebenso durchgespielt, wie Gedanken an eine kleine und kurze Trennung, etwa für den Moment als Rückzug in ein anderes Zimmer, als Fahrt zu den Eltern in der Heimat oder zu guten Freunden in einer anderen Stadt. Auch ein zeitliche oder räumliche Trennung wird nicht selten angedacht.
Rückzug und Distanz vom Partner – Ohne Distanz geht es in einer Paarbeziehung nicht
Jede Paarbeziehung lebt davon, dass Partner*Innen sich einander annähern. Genauso lebensnotwendig für eine Beziehung sind der Rückzug und die Distanz vom Partner. 24 Stunden und sieben Tage die Wochen nur miteinander zusammenhocken sind nicht unbedingt förderlich. Paare, die das tun, erleben entweder gähnende Langeweile oder heftigen Streit. Es fehlt, dass man sich vermisst oder Sehnsucht hat. Der Partner, die Partnerin, sind ja ohnehin da. Vielleicht ist es auch, als ob man aufwachen würde. Nach dem Aufwachen reibt man sich irgendwann die Augen und fragt: Wer ist sie eigentlich, die da immer neben mir ist? Wer ist er, der ständig da ist? Wieso machen wir das eigentlich so?
Gute Rückzüge und Distanzen sind Unternehmungen nur mit sich und Freunden, ohne den Partner. Auch persönliche Interessen und Freizeitbeschäftigungen gehören dazu. Der klassische Männerabend oder ein Frauenabend ist außerdem zu erwähnen. Mitunter sind es auch mal Urlaube allein. Auch wenn man zusammengezogen ist und sich als Paar daran gewöhnt hat, ist manchmal ein Auszug ok. Räumliche Distanz muss nicht nur der Anfang vom Ende einer Paarbeziehung bedeuten.
Innerer Rückzug als erste Distanz vom Partner
Es gibt natürlich auch den anderen, den schleichenden Rückzug, der sich innerlich vollzieht und dann doch irgendwann nicht mehr verborgen bleiben kann, wenn der andere Partner eine gewisse Kälte, Traurigkeit, abwertendes Verhalten, Sarkasmus und Zynismus zu spüren bekommt. Hier lässt sich fragen, weshalb die Flucht in Gedanken und Emotionen nach Innen angetreten wird und was verhindert, die Distanz auch räumlich herzustellen. Hier wird kommunikativ und im Verhalten nicht selten gekratzt, gebissen und gemauert; um den eigenen inneren Rückzugsort zu markieren und zu verteidigen, bisweilen aber auch als Mittel um den Partner aus der Reserve zu locken und zu einer Verhaltensänderung im Paarkonflikt zu bewegen.
Rückzug, um dem Partner wieder gerecht zu werden
Sich von der/dem Partner*In zu distanzieren und in den Rückzug zu gehen ist für viele Partner*Innen in einer konflikthaften Beziehungssituation erst einmal ein Mittel der Wahl. Denn wenn Partnerschaftsprobleme so groß und überwältigend werden, dass sie uns die Luft zum Atmen nehmen, möchten sich viele Partner*Innen erden und aus der Schusslinie gehen. Sie haben dann für diesen Moment eingesehen, dass es ein aufopfernd selbstloses Weiter-So! nicht geben kann und sie im Partnerschaftskonflikt gänzlich zerrieben, ja untergehen würden. Außerdem formulieren viele Partner hier das Ziel, einen solchen Rückzug zugunsten einer neuen Sprachfähigkeit vorzunehmen. Sie wollen nach einer Beruhigung durch Distanz neu auf den Partner zugehen und ihm dann gerechter werden.
Rückzug für die Paarbeziehung
Wenn sie sich schweren Herzens für einen Rückzug entscheiden, bedeutet dies nicht in jedem Fall eine Kapitulation, auch nicht unbedingt eine Bestrafung desjenigen Partners, mit dem sie es nicht mehr aufnehmen können, mit dem wir nicht mehr klar kommen: Ein Rückzug und eine Distanz bedeuten vielleicht Sicherheitsabstand und die Absicht, einen beziehungsbedrohlichen Kreislauf unterbrechen zu wollen. Die sich zeigende Eskalation, die alles Beziehungsleben, das noch geblieben ist, zu „töten“ droht, soll unterbrochen, abgemildert oder gar beendet werden. Also das Paradoxe wäre in solch einer Situation: Ein Partner zieht sich zurück und distanziert sich, um in Beziehung zu bleiben.
Warum lohnt es sich auch Sicht mancher Partner, eine Unterbrechung anzustreben, einen Rückzug anzutreten und eine distanzierte Haltung einzunehmen – inhaltlich und räumlich -? Ich habe mir in der Paarberatung mit Paaren und einzelnen Partnern darüber Gedanken gemacht; auch aus eigener Erfahrung. Folgende Anlässe könnten mit begründen helfen, weshalb ein Rückzug stattfindet:
Rückzug und Distanz vom Partner zur Selbstvergewisserung
Zuallererst könnte es um eine Selbstvergewisserung gehen: Ich bin noch da, es gibt mich und ich gestehe mir ein, dass das, was gegenwärtig geschieht, und dass es nicht zu meinen Gunsten ist. Ich brauche das Gefühl eines eigenen Hoheitsgebietes, von Freiheit und bin es mir wert, für frische Lebensluft zu sorgen. Das soll heißen, dass ein Rückzug zuallererst etwas für uns ist und nicht gegen etwas. Wir handeln aktiv und nehmen endlich unser Recht in Anspruch vehement für uns zu sorgen; unser Partner tut dies anscheinend nicht und gibt uns in seiner Nähe weder Chance und Raum, es selbst zu tun. Deswegen gehen manche Partner in die Distanz.
Rückzug und Distanz vom Partner für ungestörtes Nachdenken
Der zweite Grund ist, dass wir nachdenken, ordentlich reflektieren wollen, möglichst ungestört. Wir brauchen vielleicht Zeit und Raum, um ungestört nachdenken zu können, das Geschehene zu verstehen und vor allem auf uns selbst zu hören. Was wollen wir? Tut uns etwas gut? Ist etwas nicht zielführend?
Rückzug und Distanz vom Partner aufgrund von verschiedenen Gefühlen
Drittens ermöglicht die Distanz einen neutraleren Blick, dann wenn sich die starken Emotionen aus Verzweiflung, Wut, Trauer und Scham legen, können wir eine bessere Außenperspektive einnehmen und abwägen und bewerten, ohne dabei nur emotional zu reagieren. Das bedeutet auch: Wir kommen ins Handeln, für uns, und reagieren nicht nur. Jetzt haben auch Familienangehörige, Freunde und vielleicht ein Paartherapeut die Möglichkeit, nüchterner auf alles zu sehen, was uns beschäftigt. Sie können uns helfen, das was ist, zu sortieren und einzuschätzen.
Rückzug und Distanz vom Partner nach Zuckerbrot und Peitsche
Viertens brauchen wir auch Zeit zur Sortierung. Wir haben die Möglichkeit uns aufzubauen und aufbauen zu lassen und sind nicht mehr vom Zuckerbrot des Partners abhängig, der es uns nur hinwerfen würde, um gleich danach wieder die Peitsche um so energischer zücken zu können. Der Rückzug dient hierbei vielleicht auch für eine Suche nach einem angemessenem Verhalten. Wie soll ich mich aufgrund dieser Erfahrungen mit mir und dem Partner umgehen? Wenn ich hier viele Abwertungen erlebt habe, sortiere ich mich erst einmal. Wenn ich mich dann bereit sehe, wage ich wieder Schritte auf den Partner zu.
Rückzug und Distanz vom Partner mit Zukunftsfragen
Hier ist der Rückzug auch eine Form des Nachdenkens. Gefragt wird, was in Zukunft anders sein soll. Wie muss die Beziehung sein, damit ich bleiben kann? Diese Überlegungen und Fragen müssen dann miteinander besprochen werden. Unserer Wünsche an den Partner und die Paarbeziehung sind wichtig. Vielleicht hat es hierfür bislang keinen Raum geben. Oder Partner*innen haben einander gar nicht erst zugehört. Bedürfnisse bleiben vielleicht unausgesprochen oder sind verhallt.
Wir sollten deshalb überlegen, was wir in Zukunft anders machen möchten. Worauf wollen wir besser eingehen? Wie gestalten wir einen aufmerksameren Umgang miteinander? Partner*Innen sollten sich in jedem Fall immer wieder respektvoll und liebevoll miteinander über Bedürfnisse unterhalten.
Rückzug und Distanz vom Partner zur Entscheidungsfindung
Letztlich ist für viele Partnerinnen und Partner die Zeit der Distanz und des Rückzugs auch eine Phase, in der sie eine Entscheidung treffen möchten: nicht als emotionale Reaktion auf eine Streiteskalation oder aus einer tiefen Enttäuschung heraus, sondern viel freier unter Einbezug und Abwägung vernünftiger Argumente. Wieder können uns hier Familienangehörige, Freunde oder Paartherapeuten helfen und begleiten, Rat- und Impulsgeber sein. Die wiedergewonnene Entschlusskraft und Stärke, die wir in der Distanz gewonnen haben, dürfen wir nun einsetzen, um frei und selbstbewusst zu entscheiden.
Rückzug und Distanz vom Partner als Nachricht
Zu bedenken wäre übrigens auch, ob ein Rückzug vom Partner eine Form nonverbaler Kommunikation darstellt. Ist es also eine Botschaft? Jemand, der sich zurückzieht, möchte vielleicht dadurch eine Mitteilung machen. Heftiges Streiten und auch das Zeigen von Gefühlen kann ja bedeuten, in intensiver Bindung mit einem anderen Menschen zu stehen. Vielleicht ist der Rückzug auch gerade das Gegenteil von dem, was getan wird, der Versuch nämlich einer Hinwendung, eines Bittrufes um Nähe und Zuwendung; so als ob man sagte: Komm mir nach! Nimm mich wahr! Mach es Dir nicht zu leicht! Bemühe Dich um mich!